Zum Ende der vergangenen Woche trendete der Hashtag #respectnurses auf Twitter. Darunter berichten Pflegende von Ihren Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen, unfairer Behandlung und oft auch fehlendem Rückhalt durch die Einrichtungen.
Privatpatienten und Dauerkatheter
Während des Nachtdiensts dröhnt der Fernseher aus einem der Patientenzimmer. Die Pflegekraft schaut nach dem Rechten. Im Zimmer liegt ein Patient – Mitte 50. Er hat sich die Fernbedingung in die Unterwäsche geklemmt und deutet lachend auf sie. „Wenn du willst, dass es leiser wird, musst du dir die Fernbedingung schon holen!“ Das berichtet die Twitter-Userin Senfine. Und sie ist mit derartig übergriffigen Erfahrungen nicht allein. Der ambulante Patient soll einen Dauerkatheter gewechselt bekommen, berichtet Tante Doktor. Er rät der Pflegenden: „Wenn du meinen Schwanz ein bisschen hart rubbelst, geht der besser rein.“ Sie bricht den Einsatz ab, meldet den Vorfall dem Chef und dieser kündigt den Vertrag. Dabei kriegt nicht jede Pflegekraft diesen Rückhalt aus der Einrichtung. Die Userin Stop it, Lizzy! erzählt von einer Situation von ihrem ersten Praxiseinsatz in der Ausbildung. Sie ist gerade 18, der Privatpatient Anfang 40. Er klingelt. Als sie im Zimmer ankommt, sitzt er nackt auf dem Bett und sagt: „So. Und du wäschst mich jetzt.“ Körperliche Einschränkungen, die dies notwendig gemacht hätten, hatte er nicht. Sie verließ das Zimmer und beschwerte sich. Der Praxisanleiter gab ihr Recht, der Patient allerdings beschwerte sich beim Oberarzt und der Oberarzt sagte ihr, sie solle sich nicht so anstellen, schließlich sei der Patient ein Privatpatient.
Kein Respekt vor Frau & Berufsgruppe
Der Sexismus in der Branche geht dabei nicht nur von Patienten aus. Auch Kollegen und Vorgesetzte bekleckern sich nicht gerade mit Ruhm, wenn beispielsweise Monja Schünemann berichtet, dass eine Kollegin zum Vortrag eingeladen wurde und der Geschäftsführer sie anguckt, um zu fragen, ob sie mit den großen Brüsten überhaupt denken könne. Die Pflegekraft an sich scheint weniger respektiert zu werden als ärztliche Kollegen und Kolleginnen. In der Notaufnahme kündigt eine Pflegefachkraft einen Patienten an, berichtet Emergency doc. „Vorsicht, der ist echt sauer und fies wegen der Wartezeit.“ Sie hat Tränen in den Augen. Als der Arzt das Zimmer betritt, wirkt der Patient höflich. Er begrüßt ihn mit den Worten: „Bevor ich irgendwas hier mache, entschuldigen Sie sich bei der Pflegekraft.“ Das tat er dann auch. Leider ist auch hier der Rückhalt durch die Einrichtung nicht immer gegeben. NICUnurse berichtet, dass eine Mutter ihr Kind nicht wickeln und anziehen will. Sie solle gefälligst ihren Job machen. Daraufhin verlässt die Mutter den Raum und lässt ihr Kind allein und nackt zurück. Sie eilt zum Wickeltisch, zieht das Kind an. Währenddessen betritt die Mutter unbemerkt wieder den Raum und schubst sie vom Wickeltisch weg. Sie fiel nur nicht, weil eine Kollegin sie auffing. Die Stationsleitung zog keine Konsequenzen aus dem Vorfall.
Arbeitsbedingungen & körperliche Übergriffe
SchwesterX berichtet, dass sie während Ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs – das sie mit 17 absolvierte – monatelang zwölf Tage am Stück arbeitete, um dann Samstag und Sonntag frei zu haben und anschließend wieder zwölf Tage am Stück zu arbeiten. Niemand sagte ihr, dass dies arbeitsrechtlich unzulässig sei, geschweige denn dass das bei Minderjährigen einen noch schwerwiegenderen Verstoß darstellt. Im Nachtdienst soll die Twitter-Userin Carri alleine 35 Patientinnen und Patienten versorgen. Einer hat gerade eine Hüftoperation hinter sich. Aufstehen darf er nicht. Er ist überzeugt, dass sie ihn umbringen will. Der Mann steht aber auf, klammert sich an einen Stehwagen und drückt sie gegen die Wand. Seine Hände drückt er gegen ihr Gesicht. Sie will ihn nicht wegdrücken, da ein Sturz die Hüfte erneut beschädigen könnte. Als sie es schafft, die Bereitschaft zu rufen, kommt diese nicht zur Hilfe, sondern lacht sie aus. Sie solle sich nicht so anstellen. Erst nach 20 Minuten kriegt sie endlich Hilfe. Sie steht heulend im Gang und wird als unfähig betitelt. Im selben Monat kündigt sie. Corinna Fretz beschreibt treffend, eine der Ursachen des Problems. Menschen sind übergriffig, weil ihnen keine Grenzen gesetzt werden. Jede Leitung müsse das für ihre Mitarbeitenden tun. Sie gibt anderen Pflegenden mit, dass in Pflegeheimen die Angehörigen eingeschaltet werden könnten, die das mit „dem geilen Opa“ regeln würden. Pflegende sollten nicht mehr einspringen, wenn die Leitung sich nicht hinter ihre Mitarbeitenden stellen würde. „Ihr werdet gebraucht, ihr könnt euch das erlauben!“
Weitere Tweets findet Ihr unter: https://twitter.com/hashtag/respectnurses?src=hash&lang=de