Mit dem demografischen Wandel in Deutschland steigt die Zahl der Pflegebedürftigen stetig an. Gleichzeitig stehen die pflegerischen Versorgungsstrukturen und die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung vor großen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Gesundheit am 06.09.2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz (Pflegekompetenzgesetz – PKG) vorgelegt. Dieser zielt darauf ab, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Effizienz der pflegerischen Versorgung zu steigern.
Warum das PKG notwendig ist
Der steigende Pflegebedarf erfordert mehr Pflegefachpersonen. Neben dem geplanten Wachstumspaket zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte sind attraktivere Arbeitsbedingungen und eine Verbesserung des allgemeinen Berufsbildes hierfür unerlässlich. Der PKG-Entwurf greift diese Punkte auf, indem er unter anderem die Entlohnung, die Arbeitsbedingungen und die Digitalisierung in den Fokus nimmt. Gleichzeitig wird versucht, die pflegerischen Versorgungsstrukturen zu optimieren, indem Effizienzpotenziale genutzt und die Bürokratie reduziert werden sollen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Ausübung von „erweiterten heilkundlichen Aufgaben“ durch Pflegefachpersonen. Zudem wird eine präventive Ausrichtung des Gesundheitssystems angestrebt, um langfristig die Pflegebedürftigkeit zu senken.
Kerninhalte des PKG
Das Pflegekompetenzgesetz soll die vielfältigen Kompetenzen von Pflegefachpersonen stärker in die Versorgung integrieren. Pflegefachpersonen sollen künftig, abgestimmt auf ihre Qualifikationen, eigenständig mehr Leistungen übernehmen dürfen: die so genannten „erweiterten heilkundlichen Aufgaben“. Dies betrifft insbesondere die Versorgung von Patienten mit diabetischen Stoffwechselstörungen, chronischen Wunden und Demenz. Außerdem sollen sie berechtigt sein, nach § 40 Absatz 6 des SGB XI Pflegehilfsmittel und weitere Hilfsmittel zu empfehlen.
Diese Reformen sollen nicht nur die Versorgungsqualität verbessern, sondern auch eine flächendeckende Versorgung sicherstellen durch Entlastung der Pflegefachpersonen und der ÄrztInnen. Außerdem wird das Amt der oder des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege geschaffen, um künftig Anliegen von Pflegebedürftigen und Pflegenden auf Bundesebene zu vertreten. Es soll auch dazu beigetragen werden künftig Vereinbarungsprozesse im Vertrags- und Vergütungsgeschehen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern zu optimieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stärkung pflegender Angehöriger und die Förderung innovativer gemeinschaftlicher Wohnformen, wie ambulante Wohngruppen, die eine bessere Unterstützung für Pflegebedürftige bieten sollen.
Erste Kritik: Regelung geht nicht weit genug
Der interdisziplinäre Arbeitskreis Think Tank Vorbehaltsaufgaben (TT VA) veröffentlichte am 23.09.24 eine Stellungnahme zu dem Referentenentwurf. Darin wird unter anderem kritisiert, dass Pflegefachpersonen auch nach dem neuen Gesetz nicht ausreichend ihrer Kompetenzen entsprechend eigenständig arbeiten dürfen und weiterhin an ärztliche Diagnosen gebunden bleiben. Die genaue Ausformulierung der unter „erweiterte heilkundliche Aufgaben“ fallenden Leistungen bedarf großer Sorgfalt, um sicherzustellen, dass tatsächlich neue Aufgaben in den Zuständigkeitsbereich der Pflegefachpersonen fallen und nicht lediglich bereits übernommene Aufgaben umdefiniert werden.
Fazit: Das PKG stellt einen ersten, wichtigen Schritt dar
Das Pflegekompetenzgesetz stellt einen wichtigen Schritt dar, um den Herausforderungen des Gesundheitswesens in Deutschland zu begegnen. Es adressiert zentrale Probleme wie die Attraktivität des Pflegeberufs und die Effizienz der Versorgung und hat das Potenzial, nachhaltige Verbesserungen herbeizuführen. Dennoch bleibt abzuwarten, wie das Gesetz im parlamentarischen Prozess weiterentwickelt wird und ob es seine Ziele in der Praxis vollständig erreichen kann.